Ein Beitrag zu #lyrimo, dem Lyrikmonat auf lyrimo.wordpress.com
Angesichts
der Berge
der schwarzen Wolken
dennoch
die Schuhe schnüren
den Weg unter die Füsse nehmen
und aufbrechen

Ein Beitrag zu #lyrimo, dem Lyrikmonat auf lyrimo.wordpress.com
Angesichts
der Berge
der schwarzen Wolken
dennoch
die Schuhe schnüren
den Weg unter die Füsse nehmen
und aufbrechen
Was die Scanner-Persönlichkeit nicht wahrhaben will, für die Fatigue-Betroffene aber wesentlich ist: die Pause.
Vor vielen vielen Jahren habe ich Soziologie studiert. Dabei habe ich vom Begriff „Reproduktion der Arbeitskraft“ gehört. Die Arbeitskraft muss wiederhergestellt werden, sonst geht sie aus.
Essen und Pause machen sind keine unproduktiven Tätigkeiten. Sie produzieren meine Arbeitskraft. Die Arbeitskraft brauche ich im Beruf, in Tätigkeiten rund um Haushalt und Betreuung und in ehrenamtlichen Tätigkeiten.
Wie viel Pause eine Person benötigt, um die Arbeitskraft zu Regenerieren, ist individuell unterschiedlich. Personen mit Fatigue Syndrom benötigen mehr Pausen, da auch die Arbeitskraft schneller versiegt.
Zur Zeit bin ich dabei, Pausen bewusst und häufiger in meinen Alltag zu integrieren. Dabei stellt sich die Frage, wie ich mich am besten erhole.
Ich habe bemerkt, dass es mir gut tut, nach einer kurzen Zeit des gar nichts Tuns, einer einfachen handwerklichen Tätigkeit nachzugehen. Bei diesen Tätigkeiten können die Gedanken hin und her fliessen und meine Gedanken kommen zur Ruhe.
Den Spagat zwischen „Scanner Persönlichkeit“ und Fatigue beherrsche ich schon seit Jahrzehnten. Ich kannte bloss keine Wörter dafür.
Das Problem ist übrigens nicht runter in den Spagat zu kommen, sondern wieder aufzustehen.
Der Alltag besteht aus sich wiederholenden, oft monotonen Tätigkeiten.
Gibt es etwas alltäglicheres als Haushalten? Aufräumen, putzen, Tisch decken, abräumen, waschen, bügeln und so weiter.
Kochen empfinde ich als kreative Tätigkeit, sofern ich wirklich koche und nicht einfach etwas in die Pfanne schmeisse.
Langweilige Routinen gibt es in den spannendsten, abwechslungsreichsten Berufen. Da muss man quasi durch.
Alltag. Was alle Tage vorfällt. Mein Leben lang habe ich gekämpft mit den öden Routinen, die nie zu Routinen geworden sind, sondern immer ein Kampffeld blieben. Und immer hat mich das Gewicht der alltäglichen Tätigkeiten im Hinterkopf begleitet: Wie lebenswichtig, überlebenswichtig all das ist: waschen, flicken, Lebensmittel zubereiten und hinterher aufräumen. Und Pillen für die Woche sortieren.
Wenn mein Leben, wenn das Leben hauptsächlich aus Alltag besteht, wenn ich versuche, den Alltag würdig zu begehen, dann würdige ich – mein Leben. Dann schenke ich dem Leben, das ich habe Würde.
Nicht erst wenn ein Traumleben, nicht erst wenn der Traumberuf oder die Traumkarriere erreicht ist – ich würdige mein Leben jetzt. Und dabei würdige ich mich selber
Es ist Mitte Januar. Mein Alltag hat kleine Krönchen erhalten. Ritual statt Routine.
Der Lieblingsgatte hat mir dieses Schild vom Weihnachtsmarkt gebracht. Jetzt hängt es liebevoll informativ an der Schlafzimmertür.
Nach Den Feiertagen und dem Weiterbildungs Tag gestern hat heute der Alltag wieder begonnen.
Zwischen acht und fünf, zwischen Montag und Freitag machen sich die Routinen gelegentlich selbstständig. Als wäre ich selbst nicht mehr nötig. Das kann dazu führen, dass ich in Gedanken ganz anders bin als in der Gegenwart.
Wenn ich innerlich abwesend bin, empfinde ich den Alltag als langweilig. Ich nehme ihn ja gar nicht wirklich war.
Seit dem dritten Kind habe ich mich immer wieder mit dem Alltag beschäftigt. Wie kann ich mir selber den Alltag schmackhaft machen, damit ich nicht von Feiertag zu Feiertag oder von Wochenende zu Wochenende lebe?
In den vergangenen Nächten ist mir die Bedeutung eines gewürdigten, gesegneten Alltags dringlich geworden. Im Alltag wird so vieles gewandelt: Verschmutztes wird sauber, Kaputtes wird geflickt, Ungeniessbares wird zum Lebensmittel und so weiter.
Wandel kann man als spirituellen Prozess verstehen. Insofern ist der Alltag voller bedeutungsvollen Tätigkeiten. Die Bedeutungen möchte ich sehen lernen.
Mein Alltagsmorgen beginnt mit Tee und der Pillendose.
Am Kopfende des Bettes richte ich die Kissen zurecht und setze mich zum langsamen eintrudeln in den Tag bequem hin. Am Fussende liegt der Pudel.
Die Pillendose für den heutigen Dienstag ist kaputt.
Meine Pillendose aus buntem Plastik ist zerbrochen. Sie ist in der Grösse handlich und hat doch genügend Platz für alle meine Pillen. Sie wirkt jetzt etwas schäbig.
Ob ich meinen Tagesanfang mit einer neuen, schönen Pillendose würdigen könnte?
Im Bad fällt mir auf, dass im Spiegelschrank ein einfacher, schöner Holzkamm liegt. Den benutze ich schon seit Jahren und ich mag ihn gut. Diesen Sommer habe ich mir auf einem Mittelaltermarkt einen Büffelhornkamm gegönnt. Auch er schenkt meinem Tagesbeginn etwas besonderes.
In allen Kulturen unterscheiden Menschen zwischen Feiertag und Werktagen, Festtag und Alltag. Ebenso finden sich meines Wissens in allen Kulturen Mittel und Wege, den Alltag aufzuwerten.
Muster auf Kleidern, Dekorationen auf Geschirr und Besteck interpretiere ich so, dass Alltagsgegenstände nicht ausschliesslich nützlich sen müssen. Eine Spur Schmuck putzt dem Alltag heraus.
Gerne möchte ich hier festhalten, dass ich dieses Jahr regelmässig über den Alltag schreiben werde. Gerne möchte ich fest machen, dass ich wöchentlich beschreibe, wie ich dem Alltag seine würde geben konnte. Aber ich traue meinem Durchhaltevermögen nicht.
Ich beginne einfach damit, nicht mit dem Schreiben, sondern damit, dass ich meinen Alltag bewusster begehen, ihn schmücke und wertschätze.
Loslassen, Lasten ablegen und erleichtert weitergehen.
Ich lege ab, viele Verantwortungen, die ich bereitwillig übernommen habe. Ich gebe sie in jüngere Hände und ziehe mich erleichtert etwas zurück.
Ich freue mich auf neue, andere Aufgaben, die meinen Kräften und meiner heutigen Situation entsprechen.
Seit Jahren beschäftigt mich immer wieder der Alltag. Was ist seine Qualität, wie kann sein Gewicht getragen werden?
Das Leben besteht nicht aus Abenteuern und Krimis. Es reihen sich viele alltäglichen Routinen aneinander. Wie werden öde Aufgaben mit Sinn und Wert angereichert? Wie kann ich den Alltag in Würde begehen?
Eigentlich „begeht“ man Feiertage. Durch den Alltag schlittert, eilt, keucht man. Aber begehen?
Morgen habe ich vor, den ersten Alltag nach den Feiertagen würdig zu begehen. Ich weiss noch nicht, was das heissen wird, wir werden sehen.
Hier
an halten. ab halten.
aus halten. ein halten.
auf halten. zu halten.
hin halten. ent halten.
er halten. ver halten.
Hier halten.
Ein Beitrag zum Lyrikmonat #lyrimo
Höflich
sein gelingt
auf Distanz blendend
mit Anstand Abstand halten
Freundlich
Ein Beitrag zum Lyrikmonat #lyrimo
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