Fünfte Raunacht

Den Körper würdigen

Mein Körper, das bin ich.

Der Körper ist keine Hülle für den Geist oder die Seele. Wo wollte man sie trennen?

Mein Körper ist genauso ich, wie es meine Gedanken und Gefühle, mein Hoffen und Bangen sind.

Heute stehe ich vor dem Spiegel und staune.

Meine Haut ist gezeichnet von Narben, von Wunden, die immer wieder zusammengewachsen ist. Nach jeder kleinen Verletzung. Nach jeder Operation neu. Nicht immer schön, nicht immer unkompliziert, aber alles, was soll, ist wieder dicht. Danke.

Meine Sehnen und Bändern halten mich trotz andauernden Entzündungen immer noch zusammenhalten. Ich kann noch gehen, wandern, sogar pilgern war ich dieses Jahr. Danke

Danke meinen unsichtbaren Organen, die unter widrigen Bedingungen ihre Aufgaben erfüllen.

Ich lebe.

Verloren

Beitrag zum #lyrimo 9 mit dem Impuls: Die Vorsilbe „ver-“ zu vertexten

Verloren
im verlogenen Schein
verlockender Fenster

Verloren
in verbogenen Pfaden
Verborgenen Schicksals

Verloren
verwirrt zwischen Welten
verirrt in Zeiten

Verloren
mein verdrückter
verrückter Mut

Ich finde dich wieder!

Das Leck

Das Leck in deinem Körper muss nicht gross sein. Es reicht ein kleines, aus dem es tröpfelt. Tag für Tag, Stunde für Stunde.

Es tröpfelt deine Lebenskraft aus dir. Das Leck frisst sie. Und der stete Tropfen höhlt das Leck, es wir grösser, die Kraft rinnt stärker und wird eines Tages fliessen.

Du fragst dich, wie das bloss weiter gehen soll. Morgen, nächste Woche, nächstes Jahr.

Dann tust du, was du schon immer getan hast. Du verdrängst die Schmerzen und Sorgen in die hinterste Ecke der Seele, Tür zu, Schloss dran, Schlüssel drehen, fertig.

Dann stehst du auf, nimmst ein schönes Buch und geniesst, was dir geblieben ist.

Januar 2019

Im Vertrauen

Im Vertrauen,
ganz im Vertrauen
teil ich mit dir,
mein Geheimnis.
Behalt es bei dir.

Im Vertrauen,
ganz im Vertrauen
teil ich mit dir,
ihr Geheimnis
Du hasts nicht von mir.

Trotz Vertrauen,
teile ich dir mit
(ich darf das schon sagen)
ihr Geheimnis
Du hasts nicht von mir.

Du hasts nicht von mir.
Ich darf das schon sagen,
du hasts nicht von mir.
Ich darf das schon sagen.
Du hasts nicht von mir.

Ich darf das schon sagen.
Du hasts nicht von mir.
Du hasts nicht von mir.

Nicht von mir.

Beitrag 3 zum Lyrikmonat #lyrimo

Glaubensbekenntnis

Wenn jemand sagt: „Ich glaube an dich.“ Oder: „Glaube an dich!“

Was ist damit gemeint?

Klingt irgendwie nach Leistung, nach „du schaffst das“. (Eine Prüfung, eine Aufgabe, einen Wettkampf oder so.)

Ziemlich oberflächlich.

Ich glaube, dass ich den Alltag bewältigen kann, dass ich die Tage beginnen und beenden kann in aller Schwachheit.

Ich glaube, dass ich den Weg zu mir selber und zu Gott immer wieder finden werde und daran, dass ich diesen inneren Weg auch gehen kann. Schritt um Schritt.

— — — — —

Bild: Eine bearbeitete Seite aus: Elena Brower, entdecke dich, Das Achtsamkeits-Journal

Das alte Haus von Rocky Docky

Bei mir, in meinem Körper, zuhause sein.
Das wär schön.
Genau genommen lebe ich hauptsächlich in meinem Kopf. Im Herzen bin ich immer häufiger und das tut gut.
Aber im gesamten Körper?

Ich habe ein gutes Körpergefühl, wenn es um Bewegungen geht, um Gleichgewicht und dessen Grenzen.
Aber mein Körper als Zuhause ist mir fremd.

Mein Körper ist seit über 40 Jahren krank. Funktioniert falsch. Ich wurde mehrfach operiert, mit Chemie stabilisiere ich die Funktionstüchtigkeit.

Wie kann man zuhause sein in einem kaputten Haus?

Wenn ich mir ein Traumhaus vorstelle, ist es oft eine Hütte, bunt, schief, an- und umgebaut. Das passt doch zu meinem Körper, nicht?

Sei etwas freundlicher zu dir, Alice!

Ich entscheide mich: Mein Körper ist nicht kaputt, bloss etwas windschief. Aus- und angebaut. Da könnte ich doch einziehen, da könnte ich mich niederlassen in meinem windschiefen Traumhaus, nicht?

So beginnt Versöhnung.

Michaelistag

Heute Nacht bin ich haarscharf um einem Darmverschluss gekommen. Der Gatte hat gebetet und ich dachte, wozu? In Gesundheitsdingen lässt mich Gott immer hängen, immer.

Ich habe weiter massiert, geschüttelt, geklopft. Es wurde besser und gut.

Danke, vergiss es nicht!

Chronisch gegen den Strom

Oft wird unterschätzt, wieviel Energie es braucht, in miesen Lagen positiv zu bleiben.

Du bist krank, chronisch krank. Hast Schmerzen oder andere Unpässlichkeiten (Brennen, Jucken, Zittern und so weiter), schleppst Behinderungen mit dir herum.

Deine Gefühle und dein fehlendes Wohlbefinden sind ein Fluss mit starker Strömung. Du schwimmst dauernd dagegen an. Du willst positiv bleiben.

Das macht müde. Das erschöpft.

Trotzdem willst du dich am Leben freuen.
Versauern ist keine Lösung.
Leiden frisst Energie.
Dagegen Anleben auch.

Du wirst doppelmüde.

Dennoch, was ist besser? Leiden mit mieser Laune und elender Stimmung oder Leiden und dem Schmerz die kalte Schulter zeigen?

Leiden und hingehen, um Spass zu haben.

Leiden und hingehen, um das Leben, das übrig ist, zu geniessen.

Dann,
ab und zu
holt es dich ein,
dein Leid.
Du magst nicht mehr
tapfer sein
trotzdem lachen
Gute Mine zum bösen Spiel machen
Du bist müde.
Doppelmüde.

Genug.
Es ist Zeit für eine Pause
im Kampf gegen Leid
im Kampf für das Leben.

Es ist Zeit
für Trauer und Wut
für Tränen und Schluchzen
für Schreien und Weinen.

Bis ausgeweint und ausgetrauert ist.
Bis sich Hoffnung und Lebenslust
wieder aufgerappelt haben.

Dann lass uns hinreiten und Pferde stehlen!

PS: Für mich hiess Pferde stehlen diesen Herbst, dass ich mit Ileostoma und trotz Arthritis und Arthrose 100km auf dem Jakobsweg gegangen bin. Mein Weg. Mein Tempo. #pilgernmithandicap