Tag – ach zähl doch selber

Am Ostfenster mit Lensball, nein, eh – glassball. Nicht? Dann einfach Glas. Glas mit Wein. Glas mit Wein und weinen.

Den Druck von vier Wochen Fernunterricht ausweinen, das dauert. Dazu die Aussicht auf den Druck der kommenden Wochen, wenn sich die Schule schon wieder verändern wird. Erst verstärkte Digitalisierung, dann Öffnung.

Ich fühle mich überfordert. Zu viele Veränderungen in zu kurzer Zeit.

Bis vor den Frühlingsferien hatten wir uns eine bröcklige Routine erschaffen mit Schülern, Eltern und Kollegen. Nun sollen wir unsere Schule schon wieder neu erfinden?

So schnell wird die Schule nicht, wie sie war. Damals, als wir Lehrer noch Lachen und dumme Sprüche von den Schülern erhielten. Als wir noch lustige Fragen auf ungenügende Erklärungen und Gekicher auf Versprecher bekamen. Und als wir uns noch ganz real ärgern konnten.

Vor dem Bildschirm rede ich an eine Wand. Ich vermisse meine Schüler.

Tag 35 Tiefschlaf

Impuls zum Lyrikmonat #lyrimo: Impuls

https://lyrimo.wordpress.com/2020/04/16/16-04-2020-impuls/

Kunst ist wie Angeln

im Meer der Impulse

Welcher beisst an?

Screenshot des Twitterbeitrages von @srfnews

Tiefschlaf

Tiefschlaf – Nach unzähligen Überstunden

Tiefschlaf – nach Einsatz über persönliche Grenzen hinaus

Tiefschlaf – nach Unterricht am Bildschirm, der wörtlich ein Reden gegen die Wand ist. Denn ich erhalte (als Belohnung) keine erheiternden Fragen, lustigen Kommentare oder kein witziges Dreinschwatzen. Auch die frechen, aufsässigen und aggressiven Kinder vermisse ich, und genau um sie mache ich mir nachts im Tiefschlaf Sorgen.

Kein Tiefschlaf auch für Eltern und Menschen in „systemrelevanten Berufen“. („Systemrelevant“ bedeutet auch: das System ist relevant.)

Tiefschlaf – wurde bestimmt auf anderem Hintergrund geschrieben, aber der Impuls beisst zu, wann er will. Ich bin erschöpft.

Vermissen

Ich vermisse das Vermissen.

Wenn ich von anderen höre oder lese (zum Beispiel bei
demenzfueranfaenger.wordpress.com oder bei @doppelleben@twitter.com), wie sie ihre verstorbenen Angehörigen vermissen, dann vermisse ich mein Vermissen.

Ich vermisse meine Grossmutter (die einzige, die ich kannte) nicht, nicht meinen Vater und werde wohl leider auch meine Mutter nicht vermissen. Das tut mir leid. Ich habe schöne und andere Erinnerungen, an sie, aber es reicht nicht zum Vermissen. Ich würde sie so gerne vermissen!

Wie ist es so gekommen? Meine jüngere Schwester und ich mussten früh emotional unabhängig werden. Die Launen der Mutter waren unberechenbar. Der Vater war in seiner Anwesenheit emotional oft abwesend. Und Omi? Ich hatte sie sehr gern. Sie war eine wohlerzogene, hoch gebildete beherrschte Frau. Sie kam aus einer anderen Welt. Das ist eine Geschichte für sich. Sie war wohl zu beherrscht, als dass sich genügend Wärme zum Vermissen hätte bilden können.

Wie auch immer. Ich lernte früh, mich einzuigeln, mich als Schildkröte in meinen Panzer zurückzuziehen. Die bindenden Fäden habe ich kräftig angeknabbert, damit es weniger weh tut. Und so gibt es heute keine festen Bindungen zu meinen Eltern. Das vermisse ich so sehr.

Ich vermisse das Vermissen.

Wenn ich dem tief nachfühle, so ist es fast das selbe wie:

Ich vermisse meine Eltern.

Aber nicht ganz. Ich vermisse die Beziehung, die wir hätten haben können.

Ich vermisse das Vermissen.

Zweite Raunacht

Still werden

Nicht die Feiern mit teuren Menschen
machen mein Leben laut.
Sorge und Sehnsucht
rufen unerbittlich.

Die Sorge will ich ziehen lassen,
vertrauen, dass sie ihr Ziel findet.

Der Sehnsucht folge ich zur Quelle.
Dorthin, wo DU zu mir sprichst:

Du bist meine liebe Tochter,
du gefällst mir. *

Gefalle ich dir?
Bin ich gut genug?

Du bist meine Tochter,
das ist genug.
Du bist mehr als gut genug,
Liebes.

(* Nach Henry J.M. Nouwen: „Nimm sein Bild in dein Herz“ und nach der Bibel: Matthäusevangelium 3,17)

Grau der Nacht

Impuls 10: Pantun (eine malaiische Gedichtform)

Des Nachts sind alle Katzen grau
Gedanken drehen sich im Kreis
Du wirst aus ihnen nicht mehr schlau.
Des Nachts siehst du nur schwarz und weiss.

Gedanken drehen sich im Kreis
Die Katzen lauern auf die Maus.
Des Nachts siehst du nur schwarz und weiss.
Die Maus ist grau. Gleich ist es für sie aus.

Die Katzen lauern auf die Maus.
Gleich schnappt die Todesfalle zu.
Die Maus ist grau. Gleich ist es für sie aus.
Und wer hineintappt, der bist du.

Gleich schnappt die Todesfalle zu.
Im Dunkeln denkt man nicht zu weit!
Und wer hineintappt, der bist du.
Du und die Maus, ihr sei zu zweit.

Im Dunkeln denkt man nicht zu weit!
Gedanken tragen Schmerz in grau.
Du und die Maus, ihr sei zu zweit.
Des Nachts sind alle Katzen grau.

Verloren

Beitrag zum #lyrimo 9 mit dem Impuls: Die Vorsilbe „ver-“ zu vertexten

Verloren
im verlogenen Schein
verlockender Fenster

Verloren
in verbogenen Pfaden
Verborgenen Schicksals

Verloren
verwirrt zwischen Welten
verirrt in Zeiten

Verloren
mein verdrückter
verrückter Mut

Ich finde dich wieder!