30. Dezember – schon?

In der 6. Raunacht erinnere ich mich an den Juni des vergangenen Jahres und halte Ausschau auf den kommenden.

Mein Leben wird sich verändern, zunächst beruflich, aber das zieht auch privat Kreise. Werde ich die Herausforderungen bewältigen?

Esparsettenfalter

Dieses Jahr lasse ich mich unter anderem von inga-dalhoff.de durch die Raunächte begleiten. Die ordnet den Raunächten weibliche Archetypen zu. Heute ist es die Mutter.

Ich habe das Glück, dass ich Mutter werden durfte. Als stark kopflastige Frau konnte ich erleben, wie Emotionen sich von selbst entwickelten.

Aus dem Tschad

Noch immer kontrolliere ich meine Gefühlswelt stark, aber in Nächten wie diesen, erlebe ich Lösung, Erlösung.

Die Liebe zur Natur, die Kreativität und die Sensibilität hat mir meine Mutter vererbt. Inzwischen bin ich Grossmutter.

Ich wünsche mir, zu meinen erwachsenen Kindern und zu meinem Enkel eine ehrliche, unkomplizierte mütterliche Beziehung und freue mich darauf.

Mutters Wolle / Textiles 1

Ich sitze auf dem Boden zwischen unzähligen Wollknäueln in allen Farben, wobei Wollknäuel nicht wörtlich zu verstehen ist. Es ist auch Baumwollgarn und Mischgewebe dabei und viel Verheddertes.

 

Mutter hat früher viel gestrickt, Pullover, Mützen, Handschuhe. An manche Wollen und Knäuel kann ich mich erinnern. Andere verblüffen mich: Was hat sie bloss daraus gestrickt?

So hocke ich nun hier und entwirre Mutters Fäden.

Meine Beziehung zu ihr hat sich in den vergangenen Jahren weitgehend entwirrt. Auch wenn die Knoten nur von einer Seite her gelöst werden, kommt man langsam zum Ziel. Vielleicht geht das sogar einfacher, als wenn an beiden Enden gezurrt und gezerrt wird.

Mein erster Plan war, ihre Wolle in kleine Quadrate zu häkeln und zu stricken, daraus sollte eine Decke werden. Kleine Stücke kann ich mit meinen angeschlagenen Händen produzieren.

Soweit bin ich bis heute gekommen.

Dann lachten mich neue Techniken an: Zuerst das Bandweben, dann das Weben überhaupt.

Inzwischen ist Mutter Urgrossmutter geworden und ich Grossmutter. Von Mutters Lebensfaden ist noch etwas übrig, aber nicht mehr viel. Ich nehme ihren Faden auf, werde in der Generationenfolge ihren Platz übernehmen. Vielleicht findet der eine oder andere Faden am Bett des Enkels einen neuen Anknüpfungspunkt.



Elfte Raunacht

Dankbarkeit

Früh morgens. Einige Schritte mit dem Hund. Ein weites Tal neben der Sarine.
Auf dem Cousimbert liegt Schnee.
Bussarde schreien. Es hallt aus dem Wald.
Der Fuchs rennt heim.
Weit oben am Himmel ein Flugzeug in der rosa Morgensonne.

Dankbar für die Familie mit den Festessen an langen Tafeln mit Geschwistern und Schwiegerfamilien, mit den Kindern, Nichten und Neffen. Man liebt und neckt sich und führt hin und wieder tiefe Gespräche.

Dankbar, dafür, dass ich mit meinen Beschwerden in diesem Land leben kann, wo ich Medikamente, Hilfsmittel und Versorgungsmaterial problemlos erhalte.

Dankbar, dass für alles, was ich noch kann und dass immer noch genug Neugier übrig ist, um Neues auszuprobieren.

Danke.

Vermissen

Ich vermisse das Vermissen.

Wenn ich von anderen höre oder lese (zum Beispiel bei
demenzfueranfaenger.wordpress.com oder bei @doppelleben@twitter.com), wie sie ihre verstorbenen Angehörigen vermissen, dann vermisse ich mein Vermissen.

Ich vermisse meine Grossmutter (die einzige, die ich kannte) nicht, nicht meinen Vater und werde wohl leider auch meine Mutter nicht vermissen. Das tut mir leid. Ich habe schöne und andere Erinnerungen, an sie, aber es reicht nicht zum Vermissen. Ich würde sie so gerne vermissen!

Wie ist es so gekommen? Meine jüngere Schwester und ich mussten früh emotional unabhängig werden. Die Launen der Mutter waren unberechenbar. Der Vater war in seiner Anwesenheit emotional oft abwesend. Und Omi? Ich hatte sie sehr gern. Sie war eine wohlerzogene, hoch gebildete beherrschte Frau. Sie kam aus einer anderen Welt. Das ist eine Geschichte für sich. Sie war wohl zu beherrscht, als dass sich genügend Wärme zum Vermissen hätte bilden können.

Wie auch immer. Ich lernte früh, mich einzuigeln, mich als Schildkröte in meinen Panzer zurückzuziehen. Die bindenden Fäden habe ich kräftig angeknabbert, damit es weniger weh tut. Und so gibt es heute keine festen Bindungen zu meinen Eltern. Das vermisse ich so sehr.

Ich vermisse das Vermissen.

Wenn ich dem tief nachfühle, so ist es fast das selbe wie:

Ich vermisse meine Eltern.

Aber nicht ganz. Ich vermisse die Beziehung, die wir hätten haben können.

Ich vermisse das Vermissen.

Beruf: Weltveränderer

Impuls zum 4. #lyrimo: „Das Grosse beginnt im Kleinen“, eine kleine #wunderweisheit

Vorbemerkung: Damals am Gymnasium wollten wir Weltveränderer werden, als Beruf.

Version 1

Weltveränderer
ändern vorher ihren Kontinent

Kontinentveränderer
ändern vorher ihr Land

Landveränderer
ändern vorher ihr Dorf

Dorfveränderer
verändern vorher ihre Familie

Familienveränderer
verändern vorher ihre innigste Beziehung

Beziehungsveränderer
ändern vorher sich selbst

Heute finde ich, dass Weltveränderer in erster Linie Friedensstifter und Friedenschliesser sind.

Version 2

Weltveränderer
stiften vorher Frieden in ihrem Kontinent

Kontinentveränderer
stiften vorher Frieden in ihrem Land

Landveränderer
stiften vorher Frieden in ihrem Dorf

Dorfveränderer
schliessen vorher Frieden mit ihrer Familie

Familienveränderer
schliessen vorher Frieden mit ihrer innigsten Beziehung

Beziehungsveränderer
schliessen vorher Frieden mit sich selbst